Ich hab doch kein AD(H)S ..

.. dachte ich mein - schon recht fortgeschrittenes - Leben lang auch, bzw. wäre gar nicht auf die Idee gekommen, wäre ich nicht zufällig über einen Artikel einer Journalistin gestolpert, die über ihr eigenes, spätdiagnostiziertes ADHS berichtete und der mich buchstäblich aus allen Wolken fielen ließ..
Und so geht es ja vielen - ADHS ist, gemessen an seinem tatsächlichen Vorkommen - tatsächlich noch stark unterdiagnostiziert, gerade bei Frauen.
Das liegt, wie ich dann auch an mir lernen durfte, an einer stark verbreiteten Unwissenheit über ADHS in der Gesellschaft und weit verbreiteten, völlig falschen Vorurteilen und einer grundsätzlichen Stigmatisierung und Tabuisierung von geistigen und psychischen Krankheiten und Störungen gegenüber somatischen. Deshalb ist die Arbeit von Organisationen, wie ADHS Deutschland e.V. auch von immenser Wichtigkeit, um das Wissen über ADHS in der Gesellschaft zu verbreitern und Akzeptanz und sinnvollen Umgang zu schaffen. 
Allein die volkswirtschaftlichen Schäden, neben den persönlichen Tragödien, der durch nicht-diagnostiziertes und behandeltes ADHS auftretenden Folgeschäden, wie Sucht, Kriminalität, Depressionen, Angststörungen, Suizide, Arbeitslosigkeit sind immens.

ADHS ist leider nicht immer so offensichtlich, wie man es sich wünschen würde. Gerade Erwachsene, die sich ihres ständig sabotierenden Begleiters ADHS nicht bewusst sind oder waren, entwickeln in ihrem Leben oft unbewusste, elaborierte Strategien, um zum einen mit ihren Problemen umzugehen (Kompensation) und zum anderen, ihre gefühlten Unzulänglichkeiten und Probleme vor den Blicken und dem Urteil der anderen zu verbergen (Masking).
Auch die Bewegungsunruhe der Kindheit z.B. wird oft durch subtilere Bewältigungsmechanismen abgelöst und internalisiert, was zu einem Gefühl der inneren Unruhe, Anspannung, Gedankenrasen, ständig beschäftigt sein und ähnlichen Phänomenen müssen, führt. Oder aber sie wird durch subtilere - und damit "gesellschaftsfähigere" Bewegungsmuster (Kiefermahlen, mit Sachen spielen, herumkritzeln etc.) ersetzt.
Dies führt zu einer Reihe von Eigenheiten und Spleens, die manchmal nur indirekt auf die zu Grunde liegende Problematik hinweisen und somit den Blick auf die Ursachen verschleiern.
 
 
Gerade weil viele dieser Probleme und Quirks auch anderen Störungsbildern zugeordnet werden können, kann es zu Fehldiagnosen (Bspw. Borderline , Depressionen, Angststörung, Burn Out) und damit Fehlbehandlungen kommen.
Nachfolgend findest Du einige dieser unspezifischen Symptome und Angewohnheiten, die viele ADHS Betroffene schildern. Die Liste wird noch erweitert.
Im Prinzip kannst Du diese Punkte schon mal als einen inoffiziellen, medizinisch natürlich unbedeutenden und keine professionelle Diagnose ersetzenden ADHS Test betrachten. Wenn Du Dich in vielen Punkten davon wiederfindest, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Du unter ADHS/ADS leidest nicht gering und Du solltest, wenn Du das möchtest, einen geeigneten Spezialisten für eine professionelle Diagnostik aufsuchen oder Dich zumindest einmal tiefer damit beschäftigen.
 

Körperliche Hinweise

  • Schlafstörungen
    • Einschlafstörungen nachts, nächtlicher Overthinking Modus, Gedankenrasen
    • Durchschlafstörungen: Alpträume, luzide Träume
    • ständige Müdigkeit und Erschöpftheit
    • Tagsüber plötzliches, überwältigendes Schlafbedürfnis bis zum spontanen Einnicken(Intrusive Sleep Disorder)
  • Ernährung
    • Maßloser Kaffeekonsum, Kaffee macht nicht wach, Kaffee ist auch nachts kein Problem
    • Gestörtes - oder nicht vorhandenes - Durst-/Hunger-/Appetitgefühl
    • Plötzliche Fressattacken
    • Neigung zu süßen und fettigen Nahrungsmitteln
    • Alkoholmissbrauch
    • starker Nikotinabusus
    • Immer dasselbe Essen, bis plötzlich die Lust darauf verschwindet
  • Sensorische Probleme
    • Gelegentlich auftretende Sehstörungen (Unschärfe, Nebel, erhöhte Kurzsichtigkeit
    • Akustische Fokusprobleme - Stimmen nicht "heraushören" können im Gespräch
    • Überempfindlichkeit (schwankend) gegen akustische, optische und haptische Reize bis zum Sensory Overload
    • Mysophonie: akutes Aggressionsgefühl bei bestimmten Geräusche, z.B. Essgeräuschen
    • Sensorische Empfindlichkeit (kratziger Pulli, Kälte, Wärme, Schild im Pulli)
  • Bewegungsunruhe oder Stimming (selbststimulierendes oder beruhigendes Verhalten)
    • Kiefer mahlen
    • Mit Ringen, Schmuck spielen
    • Hin und Her wippen
    • Mit Sachen herumspielen, auf Stiften kauen, rumnesteln,
    • Haare verdrehen
    • Lippe kneten
    • Augenbrauen "streicheln"
    • Rumkritzeln bei Telefonaten, Umherlaufen
    • Meetings etc: Öftere "Toilettenbesuche"
    • Mit Füssen und Beinen wippen 
    • An der Haut oder Kleidung zupfen
    • Wiederholung von Wörtern oder Sätzen
    • Summen, wiederholende Geräusche machen

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